Leitfrage 5

 Schreiben ist ein Prozess. Ein Teil dieses Prozesses ist die Phase des Überarbeitens. Was gibt es (nach der Lektüre von Kapitel 1.3) zu dieser Phase alles zu sagen?

 Antwort auf die Leitfrage 5

 

  • Wenn die moderne Schreibdidaktik von "Schreibprozessen" spricht, geht sie davon aus, dass der Ablauf der Teilprozesse nicht linear festgelegt ist. Vielmehr kann der Schreiber/die Schreiberin rekursiv – d.h. wiederkehrend – von nahezu jedem Punkt im Schreibprozess, an dem er/sie sich befindet, in jede andere Phase im Schreibprozess wechseln und dort seine Überarbeitungen vornehmen. Konkret: Er/sie kann zu jeder Zeit noch einmal in die Phase des Ideensammelns oder des Planens zurückgehen und sogar seine Gliederung – ja sogar den kompletten Text! – noch einmal verändern, also überarbeiten.

 

  • Überarbeiten ist das zentrale Element bei der Textproduktion. Sie wird auch als Problemlöse-Kompetenz bezeichnet. Unter dem Aspekt, dass "Kompetenz" auch als Fähigkeit bezeichnet wird, Probleme ähnlicher Art in unterschiedlichen Situationen bewältigen zu können, ist das sehr entscheidend.

 

  • Überarbeiten wird auch "redigieren" genannt, die Überarbeitung ist demzufolge die "Revision". Es gibt zahlreiche verschiedene Klassifikation von solchen Revisionen: die Nachträge, die Korrekturen, die Verbesserungen, die Redigierungen und die Reformulierungen.

 

  • Dem Überarbeiten von Texten wird in der modernen Schreibforschung grosse Aufmerksamkeit geschenkt. Entsprechend wird die Überarbeitung als eigenständige und wiederum sehr komplexe Teilhandlung interpretiert. Überarbeitungen werden als Wechselspiel zwischen Lesen und Schreiben bzw. Optimieren des Textes verstanden, das so lange durchgeführt wird, bis der Text den Ansprüchen des Schreibers/der Schreiberin entspricht. Jede Textproduktion, die jemand mit ernsthafter Absicht ausführt, wird der Schreiber/die Schreiberin solange überarbeiten oder überarbeiten lassen, bis er/sie sich sicher fühlt, einen guten Text geschrieben zu haben. Texte werden daher in der Regel nicht in einem Anlauf zu Papier gebracht, sondern beim Schreiben wird so lange umformuliert, gestrichen, ergänzt, gekürzt oder gar neu geplant und geschrieben bis der Schreiber seinen Text als schlüssig und verständlich einstuft.

 

  • Während die Schreibforschung dem inhaltlichen Überarbeiten die bedeutendste Rolle im Schreiprozess zuschreibt, findet eine solche Phase während des schulischen Schreibens leider kaum statt. Wenn überhaupt, bestehen Verbesserungen meist nur darin, die von der Lehrperson markierten Rechtschreib-, Grammatik- oder Interpunktionsfehler zu korrigieren. Inhaltliche Überarbeitungen – also jene Anpassungen, die einen Text besser machen – werden hingegen in der Schule kaum vorgenommen.

 

Zum Kapitel 1.3.4.4 S.55-60 überarbeiten

Leitfrage 6
Nenne mind. zwei zentrale Gründe, weshalb dem "Überarbeiten" von Texten auch im Schreibunterricht der Primarschule viel Gewicht und Raum gegeben werden sollte.

Musterantwort:

a)       Merz-Grötsch (S. 57): "Jede Textproduktion, die jemand mit ernsthafter Absicht ausführt, […], wird der Schreiber solange überarbeiten oder überarbeiten lassen, bis er sich sicher fühlt, einen guten Text geschrieben zu haben." Wenn wir also dem Überarbeiten in der Schule zu wenig Beachtung schenken und dafür zu wenig Zeit und Raum lassen, ersticken wir damit eigentlich ein Grundbedürfnis von Schreibenden. Jemand, der schreibt, will in der Regel seinen Text überarbeiten.

b)      Je mehr im prozessorientierten Schreibunterricht zum Überarbeiten aufgefordert wird, desto häufiger wird bereits auf der gedanklichen Ebene (Prätext) überarbeitet. Das bedeutet quasi, dass der Text schon "überarbeitet" wird, bevor er niedergeschrieben wird, was für die Entwicklung ausgeprägter Schreibkompetenzen sehr wichtig ist.

c)       Studien haben gezeigt, dass Schreibexperten (z.B. Journalisten oder Autoren) v.a. von einer ausgeprägten Überarbeitungskompetenz profitieren. D.h.: Wer ohne grossen Aufwand Texte überarbeiten kann, produziert grundsätzlich die besseren Texte.

d)      Erst wenn Schreibunterricht in Phasen unterteilt wird, bekommen Lehrpersonen Einblick in die Art der Textproduktion, in die angewendeten Strategien und Arbeitstechniken. Und erst so können den SuS gezielte Hilfestellungen geben.

Leitfrage 7 (zu 2.3.4)
In welchem Zusammenhang stehen Kriterienkataloge zur Beurteilung von Textqualitäten mit der Überarbeitung von Texten?

Musterantwort:

Merz-Grötsch (S. 91): "Um eine Schreibberatung sinnvoll durchführen zu können, brauchen die Schüler Kriterien, die sie der Textreflexion zu Grunde legen können. Sie brauchen eine Vorstellung davon, was Textqualität ist und wie sie gemessen werden kann – und dies für jede einzelne Textsorte. Denn die Anforderungen, die an eine Fantasiegeschichte gestellt werden, unterscheiden sich gravierend von denen, die an einen Bericht gestellt werden. Steht den Schülern einer Peer-Feedback-Gruppe dieses Instrument – ein gezielter Kriterienkatalog - nicht zur Verfügung, besteht die Gefahr, dass ihre Rückmeldungen sehr oberflächlich und nicht selten auch emotional ausfallen und im ungünstigsten Fall für den Verfasser des Textes bedeutungs- und wirkungslos bleiben."

Ausserdem: Merz-Grötsch (S.92): "Kriterienkataloge werden jedoch nicht erst dann eingesetzt, wenn bereits der fertige Text besprochen und beurteilt werden soll", sondern vielmehr schon zu Beginn des Textproduktionsprozesses (z.B.) bereits bei der Planung von Textinhalten). Schon in einer solch frühen Phase des Schreibens können Kriterien dazu benutzt werden um zu sehen, ob der Text in eine richtige Richtung geht oder nicht.

Ultime modifiche: sabato, 3 settembre 2022, 14:54